Eigentlich ist es am Vormittag nach einem Bundesligaspiel üblich, dass sich die Stammspieler schonen dürfen – ein bisschen Videoanalyse, ein paar Übungen im Kraftraum, das ist es. Doch Fußball-Alltag kann es beim FC Schalke 04 nach einem Spiel wie dem am Samstag nicht geben. Mit 1:6 (1:3) ging der Aufsteiger gegen Union Berlin regelrecht unter. Vorbei ist es mit der Aufstiegseuphorie, konsterniert waren Fans, Spieler, Verantwortliche über eklatante Fehler. Auch dem letzten Schalke-Fan, der von der schnellen Rückkehr zum internationalen Glanz geträumt hatte, ist nun klar, wie schwer es für dieses Team wird, die Klasse zu halten.
Am Sonntagmorgen dauerte allein die Videoanalyse schon etwas länger. Alle sechs Gegentore zeigte Trainer Frank Kramer seinem Team – Morten Thorsby (6.), Sheraldo Becker (36./46.), Janik Haberer (45.+3) und Sven Michel (87./90.) hatten vor 62.271 Zuschauern für Union mit fast perfekter Chancenausbeute getroffen. Nach der schmerzhaften Vorführung sämtlicher Fehler bat Kramer sein Team zu einem ungewöhnlichen Trainingsspiel – im Schritttempo, Sprints verboten. Das sollte regenerativ sein und vor allem zur Fehlervermeidung beitragen.
Marius Bülter trifft vom Elfmeterpunkt für Schalke
Krisenstimmung herrscht noch nicht auf Schalke, dafür ist die Saison noch zu frisch, die Mannschaft ganz neu zusammengestellt. Auch der defensiv denkende Trainer Frank Kramer, der von den meisten Schalkern immer noch kritisch beäugt wird, muss keinen Gegenwind spüren. „Das ist schmerzhaft, ernüchternd“, sagte Kramer nach dem Spiel. Abwehrchef Maya Yoshida (34), dem die meisten Fehler unterliefen, resümierte: „Wir waren viel zu schlampig, zu weich.“ Schröder sagte über die Fehler: „Es gilt, Dinge klar anzusprechen. Wir müssen in der Gesamtheit weniger Fehler machen.“
Doch wie kann es besser werden? Drei Gründe machen Schalke Hoffnung. Zum Beispiel eine gute Leistung zwischen den Gegentoren zum 0:1 und 1:2. Eine halbe Stunde lang zeigten die Königsblauen das, was sie wollen: Zweikampfstärke, ein schnelles Umschaltspiel, viele Flanken. Marius Bülter traf per Handelfmeter zum zwischenzeitlichen Ausgleich (30.) – und der war hochverdient. Es war Bülters drittes Saisontor im vierten Spiel. „Da habe ich gedacht: Jetzt kippt es. Das Stadion war da, wir hatten gute Balleroberungen“, sagte Schröder.
Selbst Berlins Trainer Urs Fischer erkannte Schalkes gute erste Halbzeit an: „Sie waren agiler und aggressiver als wir. Unsere 3:1-Pausenführung war glücklich. Wir waren effizient. Auch das Endergebnis ist etwas zu hoch.“ Nicht nur 30 Minuten wie geplant zu spielen, sondern über 90 – daran wird Kramer arbeiten. Rouven Schröder setzt zusätzlich auf den Charakter der Spieler: „Die Jungs sind sehr selbstkritisch. Wir müssen aufpassen, dass sie sich nicht zu sehr eingraben. Wenn der Rucksack zu voll ist, wird es schwierig. Das Spiel ist schlecht gelaufen, jetzt geht der Blick aber nach vorn.“
Schalke tritt nun beim VfB Stuttgart an
Der zweite Grund, warum es nun besser laufen soll: Nach vier stärkeren Auftaktgegnern wird es nun vermeintlich leichter – zunächst tritt S04 beim Vorjahres-Abstiegskandidaten VfB Stuttgart an (3. September, 15.30 Uhr/Sky), dann kommt Schlusslicht VfL Bochum zum Revierderby (10. September, 18.30 Uhr/Sky) – das könnte ein früher Gipfel im Tabellenkeller werden.
Bis Donnerstag könnte Schalke personell üppig nachlegen. Aktionismus auf dem Transfermarkt gibt es nicht, sagt Rouven Schröder: „Wenn du so ein Spiel kurz vor Ende der Transferperiode hast, könntest du natürlich in aller Emotionalität alles in Schutt und Asche transferieren. Aber das wäre falsch. Uns war klar, wie schwer diese Reise wird.“
Lautstarke Fan-Unterstützung für Schalke-Profis
Weiter lautstarke Unterstützung erhoffen sich die Schalker, und das ist der dritte Grund, von ihren Fans. Trotz der zweithöchsten Heimniederlage der Klubgeschichte blieben die Anhänger in der Nordkurve noch eine Viertelstunde nach dem Abpfiff stehen und applaudierten. „Das haben wir uns erarbeitet, die hohe Sensibilität der Fans ist genial. Das ist ein hohes Gut“, sagte Schröder. Abwehrchef Yoshida sah das genauso: „Das können wir den Fans gar nicht hoch genug anrechnen. Aber auf dem Platz müssen wir ihnen auch etwas zurückgeben.“
Gerade gegen Bochum wäre das wichtig. Denn alle Schalker wissen, dass ein 1:6 im Derby nicht mehr verziehen würde. „Wir wissen alle“, sagte Schröder, „wie schnelllebig diese Zeit ist.“ Auch wenn die Fans am Samstag nicht pfiffen – der Aufstiegsbonus ist nun aufgebraucht.